Ist Polyneuropathie vererbbar?

Mit dem Begriff Polyneuropathie bezeichnet der Mediziner eine Schädigung der Nervenzellen. Patienten leiden unter verschiedenen Symptomen, die vorrangig die Beine, Füße und Zehen betreffen. Was es konkret mit dieser Erkrankung auf sich hat, wodurch sie verursacht wird und ob sie vererbbar ist, erfahren Sie in folgendem Artikel.

Definition: Was ist Polyneuropathie?

Bei einer Polyneuropathie ist das Nervensystem in seiner Funktion gestört – die Störungen betreffen jedoch fast immer nur das periphere Nervensystem, also jene Nervenzellen, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark liegen. Typische Symptome der Polyneuropathie sind Missempfindungen wie Kribbeln und Taubheitsgefühle, die vorrangig in den Beinen und Füßen auftreten, jedoch auch die Hände und Arme in Mitleidenschaft ziehen können. Viele Betroffene leiden zudem unter Schmerzen, für die es keinen Auslöser gibt, beispielsweise unter Wadenkrämpfen. In stark ausgeprägten Fällen kann eine Polyneuropathie dazu führen, dass selbst leichte Berührungen – etwa durch Kleidung – als unangenehm oder gar schmerzhaft empfunden werden. Weitere mögliche Beschwerden bei Polyneuropathie sind:

  • Schwellungsgefühle
  • Unruhe der Beine (Restless-Legs-Syndrom)
  • Gangunsicherheit
  • Juckreiz
  • schmerzlose Wunden

Des Weiteren kann Polyneuropathie dazu führen, dass Hitze und Kälte schwächer oder gar nicht wahrgenommen werden, wodurch das Risiko für Verbrennungen und Erfrierungen deutlich ansteigt.

Ist Polyneuropathie vererbbar?

Grundsätzlich ist Polyneuropathie vererbbar – angeborene Polyneuropathien treten jedoch eher selten auf. Der Mediziner spricht in diesem Fall von einer hereditären (erblichen) motorisch-sensiblen Polyneuropathie (kurz HMSN), die in sieben Untergruppen eingeteilt wird.

Die hereditäre motorisch-sensible Polyneuropathie vom Typ 1 wird auch als hypertropische Form bezeichnet. Typische Merkmale sind verdickte Nerven, Hammerzehen sowie eine Verringerung der Wadenmuskulatur. Die Nerven leiten Signale nur in verminderter Geschwindigkeit weiter. Dies gilt für die neuronale Form der Polyneuropathie (HMSN vom Typ 2) nicht. Außerdem tritt diese Ausprägung der Polyneuropathie häufig nur einseitig auf.

Bei HMSN vom Typ 3 handelt es sich um die progressive hypertropische Neuritis. Die Leitgeschwindigkeit der Nerven ist hier noch stärker verlangsamt als bei Typ 1. Außerdem sind die Nervenstränge stärker verdickt.

Die hereditäre Polyneuropathie vom Typ 4 ist auch als Refus-Syndrom bekannt. Der Erkrankung liegt ein gestörter Stoffwechsel zugrunde, der sich in erheblichem Maße auf andere Körperbereiche und Organe auswirken kann. Typisch sind beispielsweise:

  • Gelenkdeformitäten
  • Bewegungsstörungen
  • Degeneration der Netzhaut
  • Nachlassen des Gehörs
  • Tagblindheit

Hereditäre Polyneuropathien vom Typ 5 bis 7 sind sehr selten und gehen meist mit ausgeprägten Augensymptomen und spastischen Lähmungen einher. Betroffene leiden unter einer verminderten Empfindungsfähigkeit, die das Risiko für Knochenbrüche und Verletzungen deutlich erhöht.

Wodurch wird Polyneuropathie noch verursacht?

Die meisten Formen der Polyneuropathie sind nicht angeboren, sondern erworben. Die Ursachen sind vielfältig – am häufigsten entsteht eine Polyneuropathie jedoch als Folge von Diabetes mellitus oder auch von Alkoholsucht. Der anhaltend hohe Blutzuckerspiegel bei einem nicht behandelten Diabetes sowie chronischer Alkoholkonsum führen zu einer Schädigung der Nervenzellen. Als Folge können die Nervenzellen Signale nicht korrekt an das Gehirn weiterleiten. Der Betroffene nimmt Schmerzen wahr, obwohl kein Anlass besteht – oder umgekehrt: Schmerzsignale werden von den Nervenzellen ignoriert. Auch Missempfindungen wie Kribbeln und Taubheitsgefühle sind typisch für eine Schädigung der Nervenzellen. Weitere mögliche Ursachen für Polyneuropathie sind:

Lässt sich keine Ursache ausfindig machen, bezeichnet der Arzt dies als idiopathische Polyneuropathie.

Bei Verdacht auf Polyneuropathie schnell zum Arzt!

Ob angeboren oder erworben: Bei Verdacht auf Polyneuropathie sollten Sie zeitnah einen Arzt aufsuchen, damit dieser eine geeignete Therapie einleiten kann. Diese besteht in erster Linie in einer Behandlung oder Beseitigung der Ursache. Bei Diabetikern wird versucht, den Blutzuckerspiegel zu normalisieren, Alkoholiker sollten einen Entzug machen. Mindestens ebenso wichtig ist eine symptomatische Therapie, um den Leidensdruck zu mindern und Betroffenen den Alltag zu erleichtern. Die Schmerztherapie nimmt in diesem Zusammenhang einen ebenso großen Stellenwert ein wie physikalische Behandlungsmaßnahmen (Wärme- und Kältetherapie, Elektrotherapie, Wechselbäder).

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