Die Bezeichnung vegetativ leitet sich vom lateinischen Wort vegetare für Bewegung ab. Das vegetative Nervensystem (VNS) wird auch als Eingeweidenervensystem oder unwillkürliches Nervensystem bezeichnet. Es ist der Teil des Nervensystems, der für die Versorgung von Herz, Blutgefäßen, Drüsen, inneren Organen und der glatten Muskulatur verantwortlich ist. Es leitet Erregungen aus den Eingeweiden zentralwärts und steuert Atmung, Verdauung, Kreislauf, Temperaturausgleich und Sexualfunktionen. Das vegetative Nervensystem regelt lebenswichtige Vorgänge im Gesamtorganismus, die weitgehend unabhängig vom Bewusstsein sind.
Das vegetative Nervensystem ist die Gesamtheit der Nerven- und Ganglienzellen zur autonomen Regelung der Vitalfunktionen im menschlichen Organismus. Es unterteilt sich in Sympathikus, Parasympathikus und enterisches Nervensystem. Aus den Seitenhörnern des Rückenmarks gehen die sympathischen Nervenfasern hervor, die in Kopf-, Hals- und Brustregion über den Spinalnerv zum rechten und linken Grenzstrang verlaufen. Dieser Grenzstrang besteht aus einer Nervenzellenansammlung außerhalb des Zentralnervensystems und befindet sich nahe der Wirbelkörper. Die sympathischen Nervenzellen ziehen sich vom Grenzstrang einzeln oder zusammen mit den Spinalnerven zu den innervierenden Organen. Die sympathischen Fasern im Bauch- und Beckenbereich werden in prävertebrale Ganglien umgeschaltet und bilden Nervengeflechte zusammen mit den parasympathischen Fasern. Solche Nervengeflechte werden als Plexus bezeichnet. Diese Nervengeflechte führen mit den Blutbahnen zu den korrespondierenden Organen.
Das vegetative Nervensystem dient der Regulierung verschiedener Prozesse im menschlichen Körper, zu denen
- Herz- und Atemfrequenz
- Blutdruck
- Verdauung
- Körpertemperatur
- Stoffwechsel
- Wasser- und Elektrolythaushalt
- Bildung von Speichel, Schweiß und Tränenflüssigkeit
- Harn lassen
- Stuhlgang
- sexuelle Erregung
gehören. Da auch der Stoffwechsel vom vegetativen Nervensystem gesteuert wird, beeinflusst das vegetative Nervensystem das Körpergewicht. Die Steuerung vieler Organe erfolgt primär durch den sympathischen oder parasympathischen Abschnitt des vegetativen Nervensystems. Die beiden Abschnitte können Antagonisten darstellen und in verschiedenen Fällen völlig gegensätzlich auf ein Organ wirken. Allerdings kooperieren die beiden Abschnitte auch miteinander, um eine angemessene Situation des Körpers auf verschiedene Situationen zu gewährleisten. Sympathikus und Parasympathikus tragen zur Steuerung der männlichen Sexualhormone bei. Sympathische Nervenfasern führen zu einer Ejakulation, während parasympathische Nervenfasern zu einer Erektion führen.
Der Sympathikus hat zumeist eine leistungssteigernde Wirkung. Er arbeitet nach dem Prinzip „Kampf oder Flucht“ und bereitet den Körper auf Stress- oder Notfallsituationen vor. Er erhöht den Puls und steigert die Herzkontraktionsfähigkeit. Zur Erleichterung der Atmung werden die Atemwege erweitert. Der Körper wird zur Freisetzung der gespeicherten Energie veranlasst. In Stresssituationen ist die Wirkung des Sympathikus durch schwitzende Handflächen, sich sträubende Nackenhaare und erweiterte Pupillen spürbar. In Notfallsituationen können weniger wichtige Körperfunktionen wie Verdauung oder Harndrang verlangsamt werden.
Im Gegensatz zum Sympathikus, der für die Funktion des Körpers in Notsituationen verantwortlich ist, steuert der Parasympathikus die Körperfunktionen in normalen Situationen. Er dient der Erhaltung und Wiederherstellung. Der Puls wird verlangsamt, der Blutdruck gesenkt. Der Darmtrakt wird zur Verarbeitung der Nahrung und zur Beseitigung der Abfallprodukte stimuliert. Die Energie, die aus der Nahrungsverarbeitung gewonnen wird, dient der Bildung und Wiederherstellung von Gewebe.
Primärerkrankungen des vegetativen Nervensystems sind selten. Eine Verletzung kann den Hypothalamus schädigen und den Wasserhaushalt sowie die Regulierung der Körpertemperatur beeinträchtigen. Systemerkrankungen wie Krebs oder Diabetes mellitus können die Funktion des Sympathikus beeinträchtigen. Das Horner-Syndrom entsteht, wenn der Halssympathikus ausfällt. Es kommt zu einer Verengung der Pupillen, hängenden Augenlidern und tiefer liegenden Augäpfeln. Die Darmfunktion wird durch Störungen des enterischen Nervensystems beeinträchtigt.
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