CIDP

Chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyneuropathie

Chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) stellt eine seltene Erkrankung des peripheren Nervensystems dar. Typische Beschwerden umfassen motorische sowie sensible Ausfallerscheinungen der Extremitäten. Die CIDP gilt als Autoimmunerkrankung und betrifft etwa 1 bis 2 von 100.000 Menschen. Am stärksten betroffen sind Männer im 6. und 7. Lebensjahrzehnt, doch kann die Erkrankung in jedem Alter auftreten. Die Diagnose gilt als schwierig.

Überblick und Definition

Die chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyneuropathie ist eine autoimmunologisch vermittelte Erkrankung der peripheren Nerven. Auffallende Symptome sind motorische Schwächen in den Beinen, teilweise auch in den Armen. Dies hängt damit zusammen, dass die Nervenleitgeschwindigkeit reduziert und die Reflexe der Extremitäten vermindert sind. Die Erkrankung hat einen progressiven, mitunter auch schubförmigen Verlauf, wobei sich die Schwächesymptome über einen Zeitraum von zwei oder mehr Monaten entwickeln. Die schwierige Diagnose birgt die Herausforderung, die CIDP differentialdiagnostisch von anderen Polyneuropathien im peripheren Nervensystem abzugrenzen. Zu einer Diagnose gehören ausführliche Anamnesen, Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit, Elektroneuropgraphie sowie Lumbalpunktion.

Ausprägungen der CIDP

Die klassische Ausprägung der CIDP ist im Wesentlichen von Ausfällen der Motorik geprägt. Daneben existieren weitere Varianten, die in Abhängigkeit ihrer Verlaufsformen und Symptome unterschieden werden.

Die sensorische CIDP zeichnet sich durch vorwiegend sensorische Symptome aus, wobei sich aber auch hier nach längerem Verlauf motorische Ausfälle zeigen.

Die Variante multifokal erworbene demyelinisierende sensorische und motorische Neuropathie oder MADSAM ist auch als Lewis-Sumner-Syndrom bekannt. Diese Ausprägung ist von einem asymmetrischen Verteilungstyp gekennzeichnet. Zunächst zeigt sie sich an den oberen Extremitäten. Bei dieser Variante lassen sich multifokale Leitungsblöcke in der Elektrophysiologie nachweisen. Patienten sprechen zudem gut auf intravenöse Immunglobuline an.

Die CIDP kann in Zusammenhang mit monoklonaler Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) auftreten. Eine solche weisen etwa 10 bis 20 Prozent der CIDP-Patienten auf. Sowohl die klinische Manifestation als auch die Reaktion auf Behandlungsformen ähneln bei dieser Variante der klassischen Form der CIDP.

In einer anderen Ausprägungsform tritt die CIDP mit zusätzlicher monoklonaler IgM-Gammopathie auf, wobei Antikörper gegen Myelin-Glykoprotein (MAG-AK) nachweisbar sind.

Ebenso sind in der Neurologie axonale Varianten beschrieben worden, darunter Fälle chronisch-relapsierender sowie progredienter axonaler Polyneuropathie. In diesem Zusammenhang liegt jedoch noch kein abschließender Nachweis vor, ob es sich hierbei um Fälle immunvermittelter Neuropathien handelt.

Symptome und Beschwerden

Etwa die Hälfte aller CIDP-Patienten sind von der klassischen Ausprägung der Erkrankung betroffen. Charakteristisch sind hier Ausfallerscheinungen und Schwächen der Beine und Arme. Die Schwächen treten proximal (körpernah) und distal (körperfern) auf. Typisch sind Probleme beim Treppensteigen sowie bei sonstigen Tätigkeiten, die ein Heben der Füße erfordern. Auch feinmotorische Ausfallerscheinungen der Hände sind häufig. Sensible Schwächen wie Taubheit oder Kribbeln in den Extremitäten können ebenso auftreten. Weiterhin sind Kribbeln oder seltener brennende Schmerzen möglich.

Diagnosemethoden

Eine klare Diagnose der CIDP gilt als diffizil. Bei der Diagnostik der CIDP bedienen sich Ärzte in erster Linie klinisch-anamnestischer Daten sowie elektrophysiologischer Befunde. Die Diagnose basiert auf der typischen klinischen Präsentation. Alle anderen in Frage kommenden Ursachen für demyelinisierende Polyneuropathien sind dabei differenzialdiagnostisch auszuschließen. In der elektrophysiologischen Untersuchung ist eine Demyelinisierung nachzuweisen.

Die Europäische Föderation Neurologischer Gesellschaften (EFNS) hat 2010 eine Leitlinie bezüglich der klinischen und elektrophysiologischen Kriterien der CIDP entworfen.

Die klinischen Diagnosekriterien lassen sich in Einschluss- und Ausschlusskriterien untergliedern. Im Hinblick auf die Einschlusskriterien ist bei der typischen CIDP der reduzierte oder erloschene Reflexstatus der Extremitäten das wichtigste Kriterium. Geht es um atypische CIDP-Varianten (beispielsweise MADSAM oder ein sensible Ausprägungsformen) stehen auch erloschene oder abgeschwächte Reflexe in den betroffenen Bereichen im Vordergrund.

Die Ausschlusskriterien umfassen eine Reihe von Erkrankungen, die mit vergleichbaren Symptomen einhergehen können. Dazu gehören die vererbte (hereditäre) Neuropathie und anderweitige Immunneuropathien. Auch Infektionen mit Borrelien, Diphterie oder Alkohol- und anderer Drogeneinfluss und Gifte sind auszuschließen. Ein Ausschlusskriterium sind ebenfalls Mastdarm- und Blasenstörungen. Weiterhin sind andere Gründe für demyelinisierende Polyneuropathie auszuschließen, darunter hämatologische Erkrankungen wie das POEMS-Syndrom.

Präzise definiert sind die elektrophysiologischen Kriterien der CIDP-Diagnostik. Die elektroneuromyographische Untersuchung (ENMG) dient der Bestätigung einer Diagnose. Zusammengefasst geht es primär darum, demyelinisierte Läsionen in den motorischen Nerven nachzuweisen. Diese machen sich in einer Verlängerung distal-motorischen F-Wellen-Latenz sowie in einer Verlängerung der Nervenleitgeschwindigkeit bemerkbar. Hierbei liegen jeweils von der EFNS definierte Normgrenzen (ULNs) vor. So gehört eine um 50 oder mehr Prozent verlängerte distal-motorische Latenz in mindestens zwei betroffenen Nerven zu den Kriterien.

Weitere Unterstützung findet die Diagnose durch Analysen des Nervenwassers. Charakteristisch sind bei 70 bis 90 Prozent aller untersuchten CIDP-Patienten eine Proteinerhöhung oder andere entzündliche Veränderungen. Weiterhin treten bei etwa der Hälfte aller CIDP-Betroffenen entzündliche Veränderungen in den Nervenwurzeln beziehungsweise dem Nervenplexus auf, die sich MR-tomographisch darstellen lassen. Ultrasonographische Darstellungen können dazu dienen, multiple Nervenschwellungen darzustellen, die einen weiteren Hinweis bieten.

Ursachen (Ätiologie)

Die chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyneuropathie gilt als Autoimmunerkrankung. Als wahrscheinliche Ursache ihrer Entstehung nehmen Mediziner eine Molekulare Mimikry an, die eine Form der Kreuzreaktion darstellt. Als Reaktion auf eine Infektion entsteht eine Immunantwort auf Basis gemeinsamer Epitopen, die Kreuzreaktionen zeigen und ebenso mit Bestandteilen des peripheren Nervensystems reagieren. Epitope stellen Strukturen dar, die im Zusammenhang mit adaptiven Immunantworten gebildet werden. Bei der CIDP können die Epitope gegen das Myelin (die Hüllschicht) gerichtet sein. Die Schädigung des Myelins führt zur Demyelinisierung. Eine vorausgehende Schädigung der Nerven und die damit verbundene Freisetzung bestimmter Epitope ist eine weitere Ursache, die zu diesem Prozess beitragen kann.

Verlauf

Die CIDP kann von einem kontinuierlich progressiven wie auch von einem schubartigen Verlauf geprägt sein. Die Symptome entwickeln sich bei sämtlichen Varianten vergleichsweise schnell. Sowohl in den klassischen als auch in den atypischen Varianten zeigt sich die Symptomatik innerhalb von Wochen oder wenigen Monaten. Damit unterscheidet sich die CIDP von anderen Polyneuropathien, die sich langsam über mehrere Jahre hinweg entwickeln. Jüngere Patienten tendieren eher zu einem schubförmigen Erkrankungsverlauf, während ein höheres Patientenalter mit einem ungünstigeren Verlauf verbunden ist.

Behandlungsmöglichkeiten und Therapieformen

Die Behandlungsformen sind in Abhängigkeit der Gesamtsituation des Betroffenen zu wählen. Handelt es sich um eine diagnostisch gesicherte CIDP so gelten immunmodulatorische Therapieformen mit Immunglobulinen (IVIG), Plasmaaustausch-Methoden und Glokukortikosteroide (GS) als wirksame Therapieformen.

Auch wenn spontane Verbesserungen eintreten können, sind allgemein langfristige Behandlungen wichtig, um den Verlauf positiv zu beeinflussen und die Symptome zu mildern. In vielen Fällen ist die Erkrankung mit verschiedenen Therapieansätzen gut zu kontrollieren.

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